Lieber Hannes, dein neuer Roman »Zehn Bilder einer Liebe« wird aus zwei Perspektiven erzählt, einer Frau und eines Mannes. Die Passagen von Luisa liest Inka Löwendorf und die von David du selbst. Wie kam es dazu und was war das für eine Erfahrung, den eigenen Text im Studio einzulesen?
Den Wunsch, einen Roman selbst einzulesen, hatte ich schon lange, aber bisher war es nie möglich. Aber das Team von argon war so freundlich, sich eine Leseprobe von mir anzuhören – und offenbar war die nicht ganz so schlimm ... Vom Verlag kam dann die Idee, dass Luisas Kapitel von Inka Löwendorf und Davids Kapitel von mir gelesen werden. Ich fand die Idee wirklich super und bin schon sehr gespannt darauf, das fertige Hörbuch dann zu hören!
In deinen Romanen befasst du dich mit ganz unterschiedlichen Themen. In deinem Debüt »In Spuren« hast du beispielsweise Fragen nach Freundschaft und Authentizität gestellt, in »Ein mögliches Leben« dich mit den Spuren befasst, die der Krieg in vielen Familien hinterlassen hat. Warum hast du dich dafür entschieden, in deinem aktuellen Roman das Thema Liebe zu ergründen?
Grundsätzlich versuche ich, glaube ich, in jedem Roman etwas Neues zu finden, das mich wirklich fasziniert, das sich neu anfühlt, seien es Identität (wie bei »In Spuren«), die Folgen familiärer Traumata (wie bei »Ein mögliches Leben«) oder politisches Engagement (wie bei »Götterfunken«) – immerhin dauert die Arbeit an einem solchen Projekt ja Jahre. In diesem Fall war es einfach eine gewisse Unzufriedenheit mit Liebesgeschichten, die ich in zeitgenössischen Romanen gelesen habe. Und daraus entwickelte sich dann die Frage, ob das heute überhaupt noch geht: einen Liebesroman zu schreiben. Und wenn ja, wie er aussehen müsste. »Zehn Bilder einer Liebe« ist der Versuch einen alltagsnahen, glaubhaften Liebesroman zu schreiben, so wie ich ihn vorher schon gerne gelesen hätte.
Du bist nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Übersetzer tätig. Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit am eigenen Text von der am Text von jemandem anderen? Und was sind die Besonderheiten von den beiden Tätigkeiten?
Im Übersetzen muss ich mich ganz in den Dienst einer anderen Autorin oder eines Autors stellen. Ich muss versuchen, ihre Sprache so zu transponieren, dass beim Lesen ein Eindruck entsteht, der dem der Originalsprache so nahe wie möglich kommt. Ich arbeite also ganz klar für jemand anderen, das eigene Ego muss hintenanstehen. Und ich muss wirklich unglaublich genau sein, es geht teilweise quälend langsam voran, während es beim Schreiben meiner eigenen Texte immer wieder Phasen gibt, in denen Texte schnell wachsen, in denen alles fließt, in denen aber manchmal auch im Nachhinein viel gelöscht werden muss. Die beiden Arten, Texte zu produzieren, sind für mich also extrem unterschiedlich, aber gerade darin liegt auch die Spannung.
Danke, Hannes!