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Liebe Frau Strubel, Ihren aktuellen Roman »Der Einfluss der Fasane« haben Sie, wie auch Ihren Vorgängerroman »Blaue Frau«, selbst eingelesen. Wie war es für Sie, sich mit dem Text im Aufnahmestudio wieder zu beschäftigen, ihn laut zu hören?
Mich überrascht es immer wieder, wie sehr sich das Einlesen eines Textes im Studio nicht nur vom Schreiben unterscheidet. Das ist ja offensichtlich. Sondern, wie sehr es sich auch vom Vorlesen des Textes auf einer Bühne bei einer Lesung unterscheidet. Im Studio konzentriert sich alles auf die Stimme, das Sprechen. Keine Körpersprache, keine Gestik helfen, die Figuren etwa im Dialog lebendig werden zu lassen und voneinander unterscheidbar zu machen. Lautes Lesen ist mir auch aus meiner Schreiberfahrung nicht unbekannt; ich formuliere oft beim Schreiben die Worte halblaut mit, um ihrem Klang nachzuhören. Den Text jedoch für ein Publikum außerhalb meines Kopfes rein stimmlich fassbar zu machen, ist eine ganz eigene, aufregende Herausforderung.
Wie würden Sie die Hauptprotagonistin in »Der Einfluss der Fasane«, Hella Karl, beschreiben?
Sie ist ein starker und zugleich ganz verlorener Mensch. Sie irrt im wahrsten Sinne des Wortes durch die Welt – wie wir alle gelegentlich. Sie irrt sich über alles oder doch über das Meiste. Im Glauben, sich durchschauen zu können, ist sie sich selbst der größte blinde Fleck. Sie täuscht sich über sich selbst. Das muss sie sicherlich auch, sie muss blind auf ihre Stärke, ihre Kraft vertrauen, sonst wäre sie keine Playerin im Spiel der Mächtigen geworden. Nur hat sie sich irgendwann in diese Machtfixierung so verstrickt, dass sie nicht mehr herausfindet.
Sie sind nicht nur als Autorin, sondern auch als Übersetzerin tätig und haben unter anderem Joan Didion oder Virginia Woolf ins Deutsche übertragen. Was ist das für eine Erfahrung, so große Namen dem deutschen Publikum zugänglich zu machen?
Zunächst mal ist es für mich eine unglaublich bereichernde Erfahrung. Es erweitert meinen eigenen ästhetischen und handwerklich-literarischen Horizont. Niemand, heißt es, liest einen Text genauer als die Übersetzerin. Und so ist es. Beim Übersetzen spüre ich dem Textkörper bis auf die Knochen nach. Und wenn es dann gelingt, das Poetische, die feine Ironie, den Witz oder die funkelnde Gedankenschärfe, die mich bei Didion oder Woolf so begeistern, dem deutschen Publikum tatsächlich zugänglich zu machen, ist das ein großes Glück.
Vielen Dank, liebe Frau Strubel!